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Test: Mia electric – Fahre lieber ungewöhnlich

Geht es nach dem französischem Hersteller Mia electric soll ihr gleichnamiges E-Auto die elektrische Mobilität ein gehöriges Stück voranbringen. Doch statt großer Stückzahlen bleibt es hierzulande bislang bei einigen wenigen hundert verkauften Fahrzeugen.

Wir wollten wissen: Zurecht, oder wird die Mia tatsächlich unterschätzt? Skurril, das ist der erste Eindruck, wenn man die Mia sieht. Denn der 2011 erstmals vorgestellte Kleinbus wirkt, wie ein VW-Bulli, den man aus Versehen zu heiß gewaschen hat. Die Proportionen stimmen zwar, aber egal aus welcher Perspektive man schaut, der Mikro-Bus wirkt, wie aus seiner anderen Welt. Doch ihre Erscheinung ist Programm, denn nicht nur die Optik, sondern eigentlich alles ist anders an der Französin.

Das beginnt mit dem Antrieb, denn der ist elektrisch und kommt ohne zusätzlichen Verbrenner für die Reichweitenverlängerung aus, erstreckt sich dann über das Türenkonzept mit zwei Schiebetüren und endet noch lange nicht bei der ungewöhnlichen Sitzplatzanordnung der drei Insassen. Soviel Non-Konformität aus Frankreich kannten wir zuletzt von der legendären Citroën DS. Das macht neugierig auf die erste Ausfahrt mit der Französin, die sich Neueinsteigern gegenüber jedoch zunächst etwas widerspenstig zeigt.

Unkonventionelle Lösungen

Der Start mit der Mia (sie ist nach überwiegender Meinung der Redaktion wohl tatsächlich weiblich) gestaltet sich holprig. Es beginnt mit dem unhandlichen Fernentriegelungssender am Start-Schlüssel. Das Ding soll die Zentralverriegelung bedienen, kommt seiner Aufgabe aber nur aus äußerst geringer Entfernung nach. Zudem sollte man meinen, dass sich ein separater Sender im Jahre 2013 eigentlich überlebt haben sollte und sich diese Funktion auch bei einem Kleinserienhersteller problemlos in den Schlüssel integrieren ließe.

Zu allem Überfluss stellt die eigentlich praktische Fern-Entriegelung der Heckklappe während der Testdauer komplett den Dienst ein. Ein Problem, das den täglichen Umgang mit der Französin nicht unbedingt erleichtert, bedeutet dies doch jedes Mal die Einkaufstüten abzustellen, die Mia-Türen zu öffnen und die Heckklappe per Tastendruck aus dem Innenraum zu entriegeln - praktisch ist anders.

Schiebetüren mit Problemen

Dabei tappt man unversehens in die nächste Falle. Denn die Mia besitzt keine herkömmlichen Türen, sondern zwei Schiebetüren, die bis weit in den Fußboden hinein reichen. Das Öffnen geschieht über zwei Kleeblatt-artige Taster an der Karosserie. Diese verfügen allerdings nicht über einen klar definierten Druckpunkt und geben nur selten beim ersten Tippen die Pforten vollständig frei.

Meist hakt der Mechanismus, so dass ein zweites oder drittes Mal gedrückt werden muss, wobei dann die Schiebetür mit der anderen Hand umständlich aufgezogen werden will. Wie die Türen im Crash-Fall zu öffnen sind, möchte man sich, angesichts dieser Bedienung, lieber nicht vorstellen. Dass dann an der gläsernen Heckklappe der Griff zum Öffnen fehlt, ist nur noch eine Randnotiz wert.

Bequemlichkeit auf kleinstem Raum

Ist das Türen-Thema erst einmal mit einem kräftigen Ruck an den wackelig aufgehängten Portalen erledigt, gibt sich die Mia versöhnlich. Die beiden Fondpassagiere finden neben einem bequemen Einstieg auch noch reichlich Platz mit unbegrenzter Beinfreiheit vor. Gleiches gilt für den mittig untergebrachten Fahrer, der neben großzügiger Kopffreiheit auch das Privileg einer guten Rundumsicht genießt. Das war es dann aber auch schon in Sachen Komfort, denn weitere Errungenschaften des modernen Autofahrerlebens sind an der Mia offenbar spurlos vorbeigegangen.

Armlehnen, für den prominent untergebrachten Fahrer aufgrund fehlender Fensterbrüstung durchaus sinnvoll, sind Fehlanzeige. Ebenso fehlen ein Handschuhfach oder Kleinigkeiten, wie ein Regensensor, ein brauchbarer Innenrückspiegel oder eine elektrische Außenspiegelverstellung. An so etwas, wie Assistenzsysteme, gleich welcher Art, braucht man in der Mia erst gar nicht zu denken.

Nicht wintertauglich

Unterstellt man, dass die Mia-Konstrukteure das Vehikel auch in unseren Breitengraden verkaufen möchten, fehlt es ihm außerdem an jeglicher Art von Wintertauglichkeit. Bereits ab Temperaturen von um die Null Grad fröstelt die Mia-Besatzung. Die elektrische Heizung ist zu schwach, um den Wageninnenraum vollständig zu erwärmen. Dafür ist ihr Gebläse so laut, dass dem Radio nur noch eine Statistenrolle zukommt und man es im Sinne der Reichweitenoptimierung einfach ausschaltet.

Hinzu kommt eine unzureichende Luftverteilung, die eigentlich im Winter nur zum Entfrosten der Frontscheibe taugt. Warme Luft auf die stets beschlagenen Seitenscheiben zu lenken, ist dagegen kaum möglich. Wer also die Mia im Winter fahren möchte, dem sei dringend der Erwerb der angebotenen Standheizung empfohlen, die mit Benzin betrieben werden muss. Ein Umstand, der den ursprünglichen Gedanken eines E-Autos allerdings ein wenig ad absurdum führt.

Verarbeitung auf niedrigem Niveau

Mia ist ein Kleinserienhersteller, der naturgemäß nicht mit den großen der Branche konkurrieren kann und will. Exzellente Detaillösungen deutscher Premium-Marken darf der Kunde daher nicht erwarten, dafür fehlt den mittlerweile in dritter Hand befindlichen Franzosen schlicht das Geld. Was der Kunde allerdings erwarten dürfte, ist ein Mindestmaß an fühl -und sichtbarer Qualität.

Lose Teppiche, gepaart mit billigen Kunststoffen und Schaltern, wie von einem sehr preiswerten Küchenherd, hinterlassen einen zwiespältigen Eindruck. Doch letztlich muss man der Mia zugestehen, dass dies Kleinigkeiten sind, denn mit der Langzeitqualität gibt es dank der nichtrostenden Kunststoffkarosserie wohl kaum Probleme. Nur, wer mit der Mia antritt, um den Aufbruch in ein neues Automobilzeitalter zu demonstrieren, täte gut daran, dies auch durch eine ansprechende Präsentation und Qualität zu untermauern.

Lade, wenn Du fahren willst

Viel wichtiger allerdings, als die Frage nach Spaltmaßen und Oberflächenhaptik, ist der Fahreindruck der Mia. Doch bevor es in das Verkehrsgewühl geht, heißt es Laden. Die Mia wird mit einem Ladegerät geliefert, so dass eine handelsübliche 220-Volt-Steckdose ausreicht, um zu „tanken“. Bei leerem Lithium-Eisen-Phosphat-Akku dauert dies vier bis fünf Stunden, an der optional erhältlichen leistungsstärkeren Wallbox geht es deutlich schneller.

Überdies besitzt die Mia eine Kurzlade-Funktion, mit der sie in nur zehn Minuten für eine Fahrstrecke von acht Kilometern bereit steht. Den aktuellen Ladezustand zeigt die Mia dabei im digitalen Tacho an. Nachteilig ist jedoch, dass das sperrige Ladekabel bei Wind und Wetter immer wieder von Hand eingerollt werden muss. Eine Aufrollautomatik, wie beim Twizy von Renault, oder eine praktische Aufbewahrungsbox wie beim Elektro-Smart gibt es nicht, so dass schmutzige Hände und verdreckte Kleidung durch das Kabel vor allem im Winter vorprogrammiert sind.

Pole-Position garantiert

Vorwärts und Rückwärts, mehr Wahlmöglichkeiten der Fortbewegung bietet die Mia nicht. Und so einfach wie es klingt, ist es in der Praxis dann auch. Die Mia setzt sich nach Auswahl der Fahrtrichtung zwar nicht mit der Vehemenz eines E-Smarts in Bewegung, doch um im Verkehr gut mitzuhalten, reicht es. Letztlich auch, weil die meisten Teilnehmer vor Erstaunen über das sonderbare Vehikel vergessen, Gas zu geben. Die rund 800 Kilogramm schwere Mia nutzt diesen Vorsprung und legt mit ihren 10 Kilowatt Leistung (Spitzenleistung 18 Kilowatt) und 58 Newtonmeter Drehmoment kräftig an Tempo zu; besonders dann, wenn man statt des „Eco“-Modus den Normalbetrieb gewählt hat.

Dann erklimmt sie bei flacher Topografie zügig die Spitze von etwas über 100 km/h und wer unerschrocken genug ist, kann mit der Mia auch sportlich, dynamisch um die Ecken zirkeln. Ein abbremsendes ESP ist nämlich nicht an Bord und kann auch nicht bestellt werden. Einzig ein Antiblockiersystem samt Bremsassistent müht sich um die Fahrsicherheit, wobei an die mit Scheiben -und hinteren Trommelbremsen bestückte Anlage keine allzu großen Erwartungen gestellt werden sollten.

Wie weit willst Du gehen

Ein Punkt, bei dem sich die Mia nicht anders verhält, als alle anderen E-Renner ist die Reichweite. Wird viel beschleunigt, schnell gefahren und womöglich noch geleuchtet, gehupt oder gar geheizt, ist schneller Schluss, als einem lieb ist. 80 Kilometer oder weniger sind dann das höchste der Gefühle, während der vorrausschauende Fahrer an einem sonnigen Juli-Tag problemlos 120 Kilometer erreichen kann.

Dabei kommt es vor allem auf den ruhigen Fuß am Fahrpedalwertgeber an, denn sobald der Fahrer vom „Gas“ geht, erzeugt die Mia Strom, der zurück in den Akku fließt und die Reichweite verlängert. Das Ergebnis könnte indes besser sein, wenn man die Stärke der Rekuperation steuern könnte. Die fällt nämlich so soft aus, dass häufig zusätzlich die Bremse eingesetzt werden muss, um den Mikro-Bus rechtzeitig vor einem Hindernis zum Stehen zu bringen.

Praktisches Karosseriekonzept mit geringer Gesamtfläche

Hohe Wendigkeit

Geringe Betriebskosten (kein Ölwechsel, kein Kundendienst)

Ausreichende Fahrleistungen und Reichweite

Hoher Aufmerksamkeitswert

Fehlende Assistenzsysteme (ESP nicht lieferbar)

Nur Fahrerairbag

Mäßige Verarbeitung

Gewöhnungsbedürftige Bedienung im Detail

Schlechte Klimatisierung

Hoher Preis

Kein Sonderangebot

Skurrile Konstruktion, geringe Stückzahlen und ein Hersteller, der sich gegen die großen der Branche behaupten muss. Das sind keine guten Voraussetzungen für ein wohlfeiles Angebot. Und bei aller Begeisterung für das Konzept der Mia kommt selbst der ambitionierteste Fan des kleinen Vans beim Studium der Preisliste ins Grübeln. Knappe 18.000 Euro werden da für die Basis Mia aufgerufen.

Mit dem zu empfehlenden zwölf Kilowattstunden-Akku (Serie sind acht Kilowattstunden) und der Überführung steigt diese Summe auf rund 21.500 Euro an. Deutlich zu viel, wenn man bedenkt, dass sich in diesem Preissegment rustikalere E-Auto Alternativen vom Schlage eines E-Smart oder eines Volkswagen e-Up tummeln. Doch letztlich muss man der Mia trotz des üppigen Preisniveaus zugestehen, dass kaum einer ihrer Konkurrenten einen derart spektakulären Auftritt bieten kann. Und für den werden anderswo noch deutlich höhere Aufpreise bezahlt. Die Mia revolutioniert den E-Auto Markt? Sicher nicht, dafür ist sie schlicht zu teuer und zu schlecht verarbeitet. Doch ist der Mikro-Van ein schönes Beispiel dafür, dass weniger manchmal mehr ist. An die etwas spartanische Ausstattung gewöhnt man sich ebenso, wie an die Vorzüge der ultra-kompakten Karosserie samt Schiebetürenkonzept. Dass die Mia beim Gasgeben heult, wie eine defekte Geisterbahn, sieht man ihr nach, wie auch die Tatsache, dass sie Steigungen nicht mag. Dass es allerdings bei Regen schon mal durch die Türdichtungen rein tropft, ist unschön...

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