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NIO ES6 im ersten Test: Was kann das elektrische China-SUV?

In China gibt es den ES6, genauso wie den ES8, bereits zu kaufen. Hierzulande warten die Fans schon sehnlich auf den Markeneintritt des Elektroauto-Start-ups. Dabei hat gerade der NIO ES6 das Potential zum Game-Changer - gegen Tesla, aber auch gegen Audi und BMW. Denn nicht nur der Preis ist heiß.

Dieser Tage mit einem NIO ES6 auf deutschen Straßen unterwegs zu sein ist etwas ganz Besonderes (Fahrzeug derzeit nicht in Deutschland erhältlich, Homologation ausstehend²). Schließlich ist man sich dem Umstand bewusst, dass es in ganz Europa nur eine Handvoll der chinesischen Elektroautos gibt, die dann noch dazu mit Münchner Kennzeichen durch die Gegend fahren. Das europäische Design- und Entwicklungsstudio von NIO, welches in der bayerischen Landeshauptstadt seinen Stammsitz hat, ist maßgeblich dafür verantwortlich. Vielen fällt das cactuseisfarbene SUV im Autoeinerlei unserer Straßen direkt auf und wird nicht nur von umherstehenden Passanten, sondern auch von anderen E-Auto-Fahrern ganz genau beäugt.

NIO-ES6-Side

Der NIO ES6 wird für einen deutschen Erlkönig gehalten

Am Rastplatz Fürholzen West wurde der NIO ES6 beim Laden gar für einen Erlkönig deutscher Bauart gehalten. Dabei ist der Gedanke so abwegig nicht. Wie schon beim ES8 setzten die Chinesen auf viel deutsches und europäisches Know-how, um den weltweiten Ansprüchen an ein Auto gerecht zu werden. Das Luftfahrwerk von Continental, die elektrische Lenkung von Thyssen und die Bremsanlage von Brembo. Damit aber nicht genug, setzt NIO auf eine strategische Partnerschaft mit Bosch, die unter anderem Teile für das teilautomatisierte Fahren zuliefern. Hier ergeben sich natürlich gewisse Technologie-Überschneidungen, zum Beispiel mit BMW.

NIO-ES6-Interieur

Viele Zulieferer stammen aus Europa

Die Umfelderkennung für den Autopiloten im digitalen Instrumenteneinsatz beispielsweise sieht beinahe so aus und arbeitet verdächtig ähnlich wie das System, das BMW unter anderem im neuen 3er anbietet. Seit unserem Erstkontakt mit dem ES8 letzten November hat NIO zudem sein Fahrzeug-Betriebssystem geupdatet, was nicht nur Vorteile mitbringt. Viele Funktionen sind im ES6 mittlerweile cloudbasiert, was eine schnelle und stabile Internetverbindung voraussetzt. Etwas, was die deutsche Infrastruktur nicht zu bieten hat – auch nicht mit einer SIM-Karte von China Telecom. Dementsprechend schleppend geht die Bedienung im Fahrzeug voran, manche Wisch- und Drückbewegung auf das große Mitteldisplay braucht Sekunden zur Umsetzung.

NIO-ES6-Cockpit

NIO setzt auf cloudbasierte Systeme

Unverändert zum NIO ES8: Die gänzlich in Mandarin gehaltene Benutzeroberfläche lässt sich sehr intuitiv bedienen. Zum generellen Funktionsumfang des NIO-Infotainmentsystem wird man allerdings erst etwas stichhaltiges schreiben können, wenn eine Übersetzung zumindest ins Englische erfolgt ist. Dann wird man auch außerhalb Chinas mit der NOMI-AI Kontakt aufnehmen können, die in Deutschland mehr oder minder zum Grüßaugust mit Kulleraugen degradiert wurde. Ansonsten hat man in China den Zulieferer der Sitzgarnituren geändert. Auch hier setzt man auf Qualitätsprodukte, die bei deutschen Premiummarken zum Einsatz kommen.

NIO-ES6-Side-Rear

Innenraum mit viel Luxus

So ist das Ledergestühl im NIO ES6 für ein fernöstliches Auto ungewohnt straff gepolstert, was den Langstreckenanspruch der Chinesen unterstreicht. Negativ aufgefallen ist uns nur das etwas wackelige Sitzuntergestell, das beim Beschleunigen oder Kurvenfahren leicht zu nackeln begann. Auch der Beifahrersitz ließ sich nach dem Ausprobieren der Lounge-Funktion längs nicht mehr verstellen. Hier bleibt allerdings offen, ob es sich um einen Bedienfehler unsererseits handelte. Ansonsten bleibt der Innenraum des NIO ES6 einer, in dem man sich wohlfühlen kann. Die hier gefahrene Performance-Variante setzt dabei auf viel Nappaleder, zahlreiche Sichtnähte und sogar auf eine Massagefunktion für den Fahrersitz. Ein Duftspender ähnlich wie in der S-Klasse von Mercedes steht ebenfalls zu Wahl, die verfügbaren Gerüche, so ließ man uns bei NIO wissen, seien aber eher nichts für europäische Nasen.

NIO-ES6-Console

Dem ES6 fehlen 17 Zentimeter und zwei Sitze

Platz ist vorne und hinten üppig vorhanden, wobei sich der ES6 maßgeblich vom ES8 durch die fehlende dritte Sitzreihe und eine um 17 Zentimeter kürzere Wagenlänge unterscheidet. Der Wegfall der beiden zusätzlichen Sitzplätze wird für den europäischen Markt sicherlich zu verschmerzen sein, genauso wie die Tatsache, dass es hierzulande wohl vorerst keine Batteriewechselstationen geben wird. Unabhängig davon steht auch der Marktstart für Deutschland und Europa noch in den Sternen, vielleicht schafft es NIO 2021 oder 2022. Bis dahin bleibt dann auch noch Zeit, neben den Übersetzungsarbeiten des in Chinesisch programmierten Betriebssystems, ES6 und ES8 flott zu machen für das europäische DC-Gleichstromnetz. Denn bislang versteht der Stromer auch beim Laden nur chinesisch und die Anschlüsse sind hardwareseitig nicht kompatibel.

NIO-ES6-Charging

Ladetechnik als Hürde für Europa

Zwar wurden wir gebeten den Konverter nicht mit ins Bild zu nehmen, doch sehen wir darin nichts Verwerfliches. Schließlich zeugt der kleine blaue Rollkasten, der die Kommunikation zwischen NIO und europäischer Ladeinfrastruktur nebst entsprechenden Anschlüssen bereitstellt, davon, dass man lösungsorientiert arbeitet und auch für unkonventionelle Lösungen offen ist. Kommt NIO nach Europa, dann selbstverständlich mit den passenden Anschlüssen. Bis zu 105 kW schnell soll man die mindestens 70 kWh große Batterie (optional 84 und 100 kWh) dann laden können, im ersten Test mit Konverter erreichten wir bereits eine Ladeleistung von zeitweise 83-86 kW am 300 kW Lader von Innogy.

NIO-ES6-Engine

Kraftvoller Antrieb, überschaubare Reichweite

Durch die Behelfslösung gab es allerdings zahlreiche Verbindungsabbrüche zu vermelden, die den Ladevorgang unnötig in die Länge zog. Wie gesagt, ein situationsbedingtes Problem, das nicht dem späteren Serienzustand entspricht. Steht die Batterie indes voll im Saft, gibt es am NIO ES6 kaum mehr was zu meckern. Eine 160 kW Synchronmaschine vorne, sowie eine 240 kW starke Asynchronmaschine hinten sorgen für eine allradgetriebene Systemleistung von 400 kW (544 PS) und ein kombiniertes Drehmoment von 725 Newtonmeter. 4,7 Sekunden gibt man bei NIO für die Beschleunigung von null auf 100 km/h an, die mehr als glaubhaft wirken. Offiziell nennt man für den ES6 überdies eine Höchstgeschwindigkeit von 200 Stundenkilometer, unser Testwagen beschleunigte hinter einem Porsche Panamera aber munter bis geschätzt 210 oder 220 km/h weiter.

NIO-ES6-Backseats2

Reichweite 250-300 Kilometer

Die Quittung kommt beim nächsten Ladestopp, denn langes Schnellfahren mag der NIO, wie alle anderen E-Autos auch, überhaupt nicht gerne. 430 NEFZ-Kilometer gibt man für den brutto 70 kWh großen Akku (nutzbar 63 kWh) offiziell zu Protokoll, viel mehr als 250-300 Kilometer werden es im realen Alltag kaum sein. Im Schnitt dürfte sich der Durchschnittsverbrauch während unserer Testfahrt bei gut 23-25 kWh/100 km eingependelt haben. Abseits der Autobahn begeistert der NIO ES6 übrigens mit seiner harmonischen Fahrwerksabstimmung, die für den Markeneintritt in Europa aber durchaus noch eine Spur straffer ausfallen darf – die schiere Leistung giert förmlich danach. Auch die Lenkung darf noch an Rückmeldung zulegen, die Bremsen dagegen hinterlassen einen mehr als ordentlich dimensionierten Eindruck, sofern man sie bei der starken Rekuperation (Stichwort: One-Pedal-Driving) überhaupt braucht.

NIO-ES6-Front-Side

Erstes Fazit

Wie schon der NIO ES8, begeistert auch der etwas kleinere Bruder ES6 auf ganzer Linie. Es ist erfrischend zu sehen, wie pragmatisch und zielorientiert man bei NIO zu Werke geht und in kaum vier Jahren von der Start-up Gründung (2014) zum Autoproduzenten (2018) wurde und mit Stand 2020 in China drei Modelle offeriert. Dabei haben die Autos von NIO nichts mit dem Klischee am Hut, chinesische Produkte wären von minderer Qualität. Auch der ES6 wirkt mit kleinen Ausnahmen solide verarbeitet, verfügt über eine mehr als brauchbare Technik und wird, sofern NIO zeitnah den Markeneintritt in Europa wagt, wohl für etwas über 50.000 Euro in den Showräumen stehen. Abwarten sollte man allerdings, wie NIO mit den im Fahrzeug erhobenen und teils personenbezogenen Daten umgeht. Denn die auf die Passagiere gerichtete Kamera sowie die NOMI-AI werden bei Datenschützern nicht sonderlich auf Gegenliebe treffen. Insbesondere dann nicht, wenn Clouddienste einen heißen Draht nach Peking haben. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)

Technische Daten*

  • Modell: NIO ES6 Performance Version
  • Motor: 1x Synchronmaschone, 1x Asynchronmaschine
  • Systemleistung: 400 kW (544 PS)
  • Drehmoment: 725 Nm
  • Batterie: 70 kW, flüssigkeitsgekühlt
  • Antrieb: Allrad, 1-Gang-Getriebe
  • Verbrauch kombiniert: keine Angaben²
  • CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km²
  • Beschleunigung (0 – 100 km/h): 4,7 s
  • Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h
  • Abmessungen (L/B/H): 4,85 m/1,97 m/1,76 m
  • Gewicht: ca. 2.340 kg
  • Grundpreis: umgerechnet 44.900 Euro

*Herstellerangaben, Homologation für Deutschland ausstehend²

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