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Erster Test: Jaguar XJ 3.0 V6 AWD – Die Raubkatze wird zum Schneeluchs

Bereits 1988 brachte Audi mit dem V8 die erste Oberklasselimousine mit Allradantrieb auf den Markt; Mercedes ließ sich mit der S-Klasse bis zum Jahr 2002 Zeit und BMW schob den Vierradantrieb für den Siebener gar erst 2008 nach.

Noch länger hat Jaguar gewartet: Die Briten bieten erst ab Anfang 2013 die Kraftverteilung an beide Achsen an und bauten dafür gleich noch einen neuen Motor.   Jaguar hatte beim Allrad-Einbau ein Problem: Die Motoren, die es im XF und XJ gibt, sitzen zu weit hinten. Während bei den meisten Herstellern der Allradantrieb heutzutage direkt in das am Aggregat angeflanschte Getriebe integriert ist und von dort zur Vorderachse abzweigt, ist das bei Jaguar nicht möglich. Die Motoren der britischen Raubkatzen sitzen auf der Achse und die Ölwanne ist der Antriebswelle für die Vorderräder im Weg.  

Nur mit neuem Motor

Diese Anordnung zu ändern, käme der Konstruktion eines neuen Autos gleich und scheidet deshalb genauso aus, wie den Aufbau der bestehenden Motoren selbst zu ändern. Da Jaguar aber sowieso ein neues Triebwerk brauchte, schließlich müssen auch hier CO2-Grenzwerte eingehalten werden, entwickelten sie kurzerhand einen neuen V6-Kompressor und schicken damit die spritschluckende Saugversion des alten Achtzylinders in Rente

Der neue, direkteinspritzende Dreiliter-V6 geht auf die Bedürfnisse des Allradantriebs ein und dürfte die neue Allzweckwaffe werden. Zunächst debütiert er im XF und XJ und für den neuen Sportwagen F-Type ist er bereits angekündigt. Nur dem angegrauten XK bleibt er vorenthalten, doch sieht der sowieso seiner Ablösung entgegen. Und dass es ausgerechnet ein Benziner ist, der als erster Jaguar-Motor zukünftig mit Allrad angeboten wird, ist dem amerikanischen Markt geschuldet. Dort sieht Jaguar das größte Potential für den AWD, bis zu 80 Prozent der Käufer fragen danach, und die Amis stehen nunmal nicht auf die bei uns so sehr gefragten Diesel.

Spätzünder

Dabei ist es schon ein wenig verwunderlich, dass Jaguar nicht gleich bei der Konstruktion des seit Ende 2009 verkauften XJ an einen möglichen Allradantrieb gedacht hat und man mit der Schwestermarke Land Rover, die auch jetzt Schützenhilfe gab, reichlich Vierradwissen im eigenen Haus hat. Zumindest bei der nächsten Generation der britischen Limousine wird man das wohl berücksichtigen und eine gemeinsame Plattform mit dem gerade neu erschienenen Range Rover ist mehr als wahrscheinlich.

Mit 340 PS ist der 3.0 V6 Kompressor ein adäquater Ersatz für den alten V8, wenngleich er ihm leistungsmäßig um 45 PS unterlegen ist. Erst die 380-PS-Version für den F-Type schließt fast vollends zum Sauger auf. Bei der Beschleunigung steht der Sechszylinder mit seinen 450 Newtonmeter dem Achtender mit 5,9 Sekunden allerdings nur um zwei Zehntel nach und auch er rennt 250 km/h. Zusammen mit der serienmäßig verbauten Achtgang-Automatik setzt er den Beschleunigungswunsch des Fahrers ohne große Verzögerung um und faucht dabei dezent, während er im Schiebebetrieb kaum von sich hören macht. Sein wohl größter Trumpf ist der Verbrauch: Nur noch 9,4 Liter schluckt der V6 mit serienmäßiger Stopp-Start-Automatik und reinem Hinterradantrieb nach EU-Norm. Damit ist er zwar immer noch kein ausgesprochener Knauserer, beim V8 flossen auf 100 Kilometer aber mindestens 11,4 Liter durch die Benzinleitungen.

Mehr Kilos für das Leichtgewicht

Etwas mehr Reibung und vor allem 116 Kilogramm mehr Gewicht treiben den Verbrauch der Allradversion auf 9,8 Liter und die Sprintzeit verlängert sich um fünf Zehntel auf 6,4 Sekunden. Dank seiner äußerst leichten Aluminium-Karosserie wiegt der XJ allerdings auch mit Allradantrieb nur 1.881 Kilogramm und damit so viel, wie der leichteste Audi A8 mit Frontantrieb. Mercedes S-Klasse und 7er BMW sind nicht unter 1,9 Tonnen zu kriegen und mit Allrad kratzen beide an der Zwei-Tonen-Marke oder liegen sogar drüber.

Allerdings schlagen die modernen Allradsysteme der Mitbewerber in diesem Segment mit nur 70 Kilogramm zu Buche und sind damit deutlich leichter als die Jaguar-Technik, bei der dem Automatik-Getriebe ein Verteilergetriebe von Magna nachgeschaltet ist, von dem aus die Kraft per Lamellenkupplung wieder nach vorne geleitet wird.

Komplexe Konstruktion

Damit das Drehmoment von dem links vom Motor sitzenden Vorderachsdifferenzial schließlich auch an das rechte Rad gelangt, muss eine Antriebshalbwelle durch die Ölwanne hindurch. Eben jener wichtige Punkt, der beim Bau des neuen V6 beachtet werden musste. Das alles unterzubringen erforderte allerdings auch umfangreiche Umbaumaßnahmen am Unterbau, deren Zeuge ein kleiner Hubbel im Fahrer-Fußraum ist.   

Doch spielt es für den Fahrer im Grunde keine Rolle, welchen Aufwand die Ingenieure betreiben mussten, um den Allradantrieb zu implementieren. Viel wichtiger ist, dass er funktioniert - was der XJ uns in Kanada auf Eis, Schnee und Matsch aus beidem unter Beweis stellte. Beim Anfahren geht bei den AWD-Modellen von XJ und XF immer ein kleiner Teil des Drehmoments an die Vorderräder, um weitestgehend ohne Durchdrehen vom Fleck zu kommen. Während der Fahrt läuft der Jaguar dagegen zunächst als reiner Hecktriebler. Dementsprechend agil lässt er sich durch die Kurve manövrieren und auch der zusätzliche Ballast tut der Fahrfreude keinen Abbruch; der XJ ist und bleibt eine der leichtfüßigsten Oberklasse-Limousinen.

Im Wintermodus immer Allrad

Erst wenn die Elektronik Traktionsprobleme an der Hinterachse feststellt, schließt sie gefühlvoll die Lamellenkupplung und es werden für den Fahrer unmerklich bis zu 50 Prozent der Kraft nach vorne geleitet. Statt mit den Rädern scharrend übers Eis zu schlittern wandelt sich die Raubkatze zum Schneeluchs, fährt ihre Krallen aus und zieht unbeirrt ihre Bahnen als wäre es ein Kinderspiel. Auch das Anfahren am verschneiten Hang stellt weder Fahrer noch Wagen vor eine Herausforderung. Sanft Gasgeben genügt und der XJ rollt artig den Berg hinauf, als wäre trockener Asphalt unter seinen Reifen.   

Weiß man schon im Vorfeld, dass es gleich rutschig wird, kann der Fahrer mit dem Wintermodus die Kupplung bereits vorspannen und per se 30 Prozent des Drehmoments nach vorne schicken; der XJ gleitet dann noch geschmeidiger und noch souveräner über den glatten Boden und die kleine Zeitverzögerung, bis das System merkt, dass vorne Kraft benötigt wird, verschwindet gänzlich. Der Sportmodus hingegen hat keinen Einfluss auf das Allradsystem, wohl aber auf Gaspedal, Getriebe und falls vorhanden die adaptiven Dämpfer.

Für das Plus an Sicherheit, nicht nur auf glatter Fahrbahn, sondern auch bei flotter Kurvenfahrt, müssen Jaguar-Kunden allerdings tief in die Tasche greifen. Zu den 86.400 Euro für den heckgetriebenen XJ 3.0 V6 Kompressor müssen stolze 4.760 Euro für die AWD-Version addiert werden. BMW nimmt seinen Käufern für den X-Drive nur 3.400 Euro ab und der Daimler stellt seine 4Matic mit 3.800 Euro in Rechnung; bei Audi haben bis auf das Basismodell sowie alle Motoren den Quattro-Antrieb serienmäßig an Bord. Lange hat es gedauert, bis die Schwester des Allradspezialisten Land Rover den Vierradantrieb auch in ihren Limousinen anbietet und ist die von Jaguar gewählte Lösung nicht der eleganteste Weg. Das zeigt sich auch im Gewicht der zusätzlichen Technik, das deutlich höher liegt, als bei vielen anderen Allradsystemen.

Doch ist der Alu-XJ auch als AWD noch leichter als alle anderen Oberklässler und dürfte es dem Kunden egal sein, wie die Kraft nun an die Vorderräder gelangt. Was für ihn zählt, ist gute Traktion auf Eis und Schnee, mehr Sicherheit in der Kurve und agiles Handling. All das bietet der neue XJ AWD - nur für Deutschland leider in Kombination mit dem falschen Motor.

So ist der neue V6 Kompressor zwar ein feines und ausreichend potentes Aggregat, das im XJ reichlich Fahrfreude beschert und sich - zumindest im Norm-Zyklus, auch nicht übermäßig am Benzintank bedient. Doch greift hierzulande die große Mehrheit eben doch zum Diesel und der dürfte frühestens in der nächsten XJ-Generation als Allrad zu haben sein. Die allerdings wird nicht vor 2016 auf den Markt kommen. Bis dahin wird der XJ wohl nichts gegen die Vormacht der der Allrad-Limousinen von Audi, BMW und Mercedes auf deutschen Firmenparkplätzen ausrichten können.  

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