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Jaguar I-Pace S EV400 AWD: Der Leisetreter im Alltagstest

Fragt man einen echten Petrolhead, können Elektroautos eigentlich nur alles falsch machen. Haben sie zu viel Leistung, sinkt die Reichweite. Haben sie zu wenig Leistung, machen sie keinen Spaß. Dazwischen ist nur wenig Spielraum, den der Jaguar I-Pace geschickt für sich nutzen will. Fahrbericht!

Es hat schon etwas Amüsantes: Jaguar, einst wegen der Elektronikkomponenten des Zulieferers Lucas Industries gerne einem gewissen Zynismus ausgesetzt, liefert mit dem I-Pace eines der ersten, wirklich langstreckentauglichen, Elektroautos aus Europa (Stromverbrauch kombiniert: 22,0-24,8 kWh/100 km; CO2-Emissionen: 0 g/km²). Als Tesla-Jäger wurde der I-Pace tituliert und als echte Alternative zum Audi e-tron gehandelt, der ab Anfang 2019 einige Monate später als der Jaguar auf unsere Straßen rollte. Seither ist es betont still geworden um den I-Pace, dessen Produktion bei Magna Steyr im österreichischen Graz zuletzt ins Stocken geriet. Bestellungen liegen wohl ausreichend vor, doch mangelt es an Lithium-Ionen-Zellen für die brutto 90,2 kWh fassende Batterie.

Sie soll dafür sorgen, dass der I-Pace unter Idealbedingungen rund 475 WLTP-Kilometer weit kommt. Doch ohne hier den Spannungsbogen vorzeitig abreißen zu lassen: Mehr als 380 Kilometer sind kaum möglich und diese auch nur, wenn man kein ungewöhnliches Fahrprofil an den Tag legt. Autobahnen sowie übertrieben gefahrene Abschnitte auf der Landstraße sind tabu und so pendelt man sich psychologisch irgendwann bei 340 bis 360 Kilometer ein. Apropos Psychologie: Hier ist Jaguar selbst den Jungs und Mädels von Porsche (der Taycan Turbo S hier im Test) einen Schritt voraus.

Jaguar-I-Pace-2020-Front

Der I-Pace schont die Psyche

Denn man zeigt dem Fahrer den Batterieladestand im digitalen Kombiinstrument nicht in erschreckenden Prozentzahlen, sondern per schlichtem Balkendiagramm an. Ganz ähnlich also, wie eine herkömmliche Tankanzeige. In den nicht immer einfach zu bedienenden Unweiten des Touch Pro Duo Infotainmentsystems verbirgt sich freilich auch eine punktgenaue Füllstandsanzeige – aber wird man mit dieser eben nicht ständig konfrontiert. Hingegen häufiger wird man sich damit beschäftigen, eine passende Ladesäule für die Raubkatze zu finden. Die integrierte Navigationseinheit ist hierbei keine sonderlich große Hilfe, zeigt sie schlicht zu wenige Stationen oder falsche Belegungszahlen an.

Die Handy-App muss also aushelfen und hat man einen Ladepunkt gefunden, ist dies ebenfalls kein Garant für eine unkomplizierte Stromfüllung. So standen wir vor einer regulären 22 kW-Wechselstromsäule der Münchner Stadtwerke, die nicht recht mit dem Jaguar harmonieren wollte. Hätten wir laden können, dann aber maximal mit 7 kW (Modelle ab 01/2020 mit 11 kW). Denn der AC-Bordlader des I-Pace ist betont mau ausgefallen. Strom gab es am Ende erst am DC-Schnelllader von EnBW, der mit einer Maximalleistung von 150 kW angegeben ist. Auch hier flossen die Elektronen erst nach zwei Kopplungsversuchen in die Batterie des Engländers. Maximale Ladeleistung? Kurzzeitig 83 kW, wobei es laut Hersteller in der Theorie bis zu 100 kW sein können. Nach einer Stunde und 13 Minuten von 25 auf 100 Prozent geladen, rekapitulierte die Handy-App circa 62 kWh eingekauften Strom.

Jaguar-I-Pace-2020-Charging

Laden mit Tücken, souveräne Fahrleistungen

Soweit zur Ladethematik des Jaguar I-Pace. Doch wie fährt er sich? Überraschend sportiv, lautet die kurze Antwort. Im Detail dürfte der I-Pace eines der fahrdynamisch ausgewogensten Produkte von Jaguar der letzten Jahre sein. Die beiden permanenterregten Synchronmotoren liefern mit ihren 294 kW/400 PS und 696 Nm Drehmoment mehr als ausreichend Leistung, der Allradantrieb sorgt ohnehin für beste Traktion und das komfortabel bis sportlich einzustellende Adaptivfahrwerk kommt sehr gut mit dem satten Eigengewicht von 2,2 Tonnen zurecht. Wie mittlerweile üblich ist das Batteriepack tief im Fahrzeugboden verbaut, was einen niedrigen Schwerpunkt zur Folge hat. Damit liegt der I-Pace lange neutral in der Kurve und profitiert gleichzeitig von einer harmonisch abgestimmten elektrischen Lenkung. Von 0 auf 100 km/h sprintet das SUV derweil in nur 4,8 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei Tempo 200.

Weiterhin zelebriert der Jag‘ wie kaum ein anderes E-Auto das Fahren mit nur einem Pedal. Regeneratives Bremsen lautet das Zauberwort, was den Einsatz des eigentlichen Bremspedals beinahe unnötig macht. Auf die Spitze wird das „One-Pedal-Driving“ mit dem wahlweisen Verzicht auf den Kriechgang getrieben. Eingespielte Piloten schaffen es so an die Ampel heranzurollen und stehenzubleiben, ohne dem Vordermann in den Kofferraum zu rauschen. Letzterer ist beim I-Pace für ein 4,63 Meter langes Auto noch in Ordnung und fasst zwischen 656 und 1.453 Liter (vorne nochmals 27 Liter, wobei hier meist das Ladekabel liegt). Die Rückenlehne ist leider nicht gänzlich flach umzulegen und auch das früh nach hinten abfallende Dach ist hinderlich für sperrige Frachten.

Jaguar-I-Pace-2020-Interieur

Viele Assistenten Serie, keine induktive Ladeschale

Was uns insgesamt in den Innenraum führt. Dieser wirkt zwar generell und mit dem im Testwagen aufgebotenen Materialmix samt Veloursstoff wertig, mit einem knatschenden Fahrersitz und den arg billigen Tasten am Lenkrad wird man dem saftigen Preisschild aber nicht immer gerecht. Auch, dass man bei der Lenkradverstellung anstelle des richtigen Hebels schnell einmal einen Kabelstrang in Händen hält, trägt nicht zum Premiumerlebnis eines Jaguars bei.

Sind die Platzverhältnisse in der ersten Reihe noch mehr als ausreichend, geht es im Fond betont enger zur Sache. Wie schon beim Beladen, stört auch beim Sitzen die coupéhafte Silhouette und schränkt die Kopffreiheit jenseits der 1,90 Meter spürbar ein. Dem digitalen Nomaden fehlt es zudem an einer induktiven Lademöglichkeit für das Smartphone und dass es im Basis I-Pace keine elektrische Heckklappe serienmäßig gibt, verwundert deutlich. Allen voran, da die große und schwere Kofferraumluke eine der wenigen ist, die man wirklich elektrisch betätigen möchte. Mit viel Elektronik kommt das SUV hingegen beim Kapitel der Assistenzsysteme daher. Notbrems-Assistent, adaptive Verkehrszeichenerkennung und Spurhaltesystem sind Serie, ab dem optionalen Fahrer-Assistenzpaket 1 (oder serienmäßig ab der Ausstattungslinie „SE“) hält der I-Pace dann auch den Abstand zum Vordermann und ist fähig, kürzere Strecken teilautomatisiert zurückzulegen.

Jaguar-I-Pace-2020-Rear

Fazit

LED-Scheinwerfer, Keyless-Entry, viele Assistenten und nicht zuletzt ein potenter Antrieb mit 400 PS und Allradantrieb sind serienmäßig beim Jaguar I-Pace. Mindestens 79.719 Euro muss man in Österreich für den Engländer hinlegen, der trotz ordentlicher Grundausstattung das preisliche Nachsehen gegenüber Audi e-tron und Mercedes EQC hat. Im Innenraum gibt es viel moderne Optik mit überwiegend gefälligen Materialien. Die Verarbeitung ist akzeptabel, dass es beispielsweise keine induktive Lademöglichkeit für Smartphones gibt und sogar eine elektrische Heckklappe extra kostet, nicht. Dennoch gilt: Der Jaguar I-Pace macht als Elektroauto seine Sache gut, liegt souverän auf der Straße und bietet mit realistischen 370 Kilometern eine annehmbare Reichweite. Passt die Ladeinfrastruktur, gelingt auch das Stromtanken in einer vernünftigen Zeitspanne. Der Gang zum elektrischen Erstauto – mit dem I-Pace ist er definitiv möglich. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber | Weitere Bilder: Hersteller)

Technische Daten*

  • Modell: Jaguar I-Pace S EV400 AWD
  • Motoren: Front und Heck
  • Batterie: 90,2 kWh (brutto)
  • Systemleistung: 294 kW/400 PS
  • Systemdrehmoment: 696 Nm
  • Antrieb: Allradanrieb
  • Verbrauch kombiniert: 22,0-24,8 kWh/100 km²
  • CO2-Emissionen kombiniert: 0 g/km²
  • Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 4,8 s
  • Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h
  • Abmessungen (L/B/H): 4,68 m/2,01 m/1,57 m
  • Gewicht: ca. 2.200 Kg
  • Grundpreis AT: ab 79.710 Euro

*Herstellerangaben

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