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Test McLaren GT: Auf Grand Tour mit dem Grand Tourer

Der neue McLaren GT muss sich einem ersten Langstreckentest unterziehen. Von Nizza nach München, fünf Länder, über 1.000 Kilometer und unzählige Kurven später wissen wir, was der erste echte Grand Tourer der Engländer zu leisten vermag. Fahrbericht!

McLaren hat mit dem Grand Tourer nicht nur ein neues Fahrzeug, sondern gleich eine neue Wagenklasse geschaffen. Zumindest nach der McLaren-eigenen Nomenklatur. Gab es bisher die Sport-, Super- und Ultimate-Series, ergänzen die Engländer ihr Portfolio nun um eine eigene GT Sparte. Zwar hatte man auch bisher schon einen 570GT in der Super Series beheimatet, er war aber mehr Kompromiss, denn eine echte Antwort auf die großen Reisesportwagen von Aston Martin, Ferrari oder Bentley.

McLaren-GT-Rearend

McLaren GT basiert auf dem Speedtail

Und so ist es nun der neue McLaren GT, den die Herrschaften aus Woking in den Ring um die Krone steigen lassen. Als technische Basis dient dem Grand Tourer unter anderem das Carbon-Monocoque des streng limitierten McLaren Speedtail, der mit seinem eigenwilligen 3-Sitz-Konzept vor allem dem Straßensportwagen F1 aus den 1990er Jahre Tribut zollt. Der „normale“ GT hingegen besitzt zwei Sitzplätze und zwei Kofferräume. Der eine vor den Passagieren fasst gut 150 Liter, der andere, direkt hinter dem Fahrgastabteil, nochmals ordentliche 420 Liter. Dabei sei angemerkt, dass eben jene Ablagefläche unter der weit zu öffnenden Glashaube und oberhalb des tiefsitzenden 4,0-Liter-Achtzylinder-Mittelmotor für Gepäck beinahe viel zu schade ist.

McLaren-GT-Col-De-Turini

Anilinleder – selbst im Kofferraum

Schließlich staffiert McLaren auf Wunsch nicht nur die Kabine mit hochwertigem Anilinleder aus, sondern auch das Ladeabteil. Die Farbgebung des Testwagen-Interieurs heißt übrigens „Barolo“ und passt damit nicht nur hervorragend zur dezenten Außenlackierung in „Viridian Green“, sondern hat zugleich Bezug in die Region, die wir auf unserem Weg von Nizza nach München in Italien durchqueren. Doch bevor wir das Piemont als Heimat des trockenen Barolo-Rotweins erreichen, müssen wir zunächst den zähen Feierabendverkehr an der Côte d’Azur hinter uns lassen. Die Sonne steht bereits tief, als wir uns von Nizza in Richtung Seealpen aufmachen. Denn, wenn man schon mit einem solchen Auto in Südfrankreich unterwegs ist, führt irgendwie jeder Weg eines Petrolheads hinauf auf den Col de Turini.

McLaren-GT-Rear

Unterwegs zum Col de Turini

Abseits französischer Landstraßen werden die Dörfer schnell kleiner und die Wege vor allem schmaler. Als sonderlich kompakt geht der McLaren GT mit einer Maximalbreite von 2,10 Meter sicherlich nicht durch und so wartet man lieber einmal mehr auf den Gegenverkehr, bevor man sich durch verträumte Gässchen zwängt. Das Risiko, an einem alten Peugeot den Außenspiegel zu verlieren, es ist einfach viel zu groß. Kopfsteinpflaster und schlechte Teerdecken im ständigen Wechsel fordern indes das adaptive Fahrwerk des GT. In der Regel behält es die Contenance und schafft es tatsächlich, Limousinen-artig zu federn. Lediglich größere Verwerfungen können die Dämpfer nicht mehr in aller Klasse abmildern, was schlussendlich auch akustisch in eher unschönen Poltergeräuschen endet.

McLaren-GT-Berninapass

Kraftvoller V8-Biturbo

Doch schlägt die wahre Stunde des Grand Tourer, begibt man sich endlich auf kurvige Bergstraßen. Die Sonne hat sich mittlerweile weit hinter den Horizont gesenkt und nennenswerter Straßenverkehr ist um diese Zeit schlichtweg nicht existent. Kann es etwas Schöneres geben als acht Zylinder, 620 PS und niemals endendes Asphaltspagetti? Vielleicht noch eine 630 Nm große Drehmomentwelle, die den Biturbo-V8 ab 5.000 Umdrehungen in allerbester Sportwagenmanier den Berg hinauf marschieren lässt. Hörbar plustert er sich nach jeder Haarnadel mächtig auf, kredenzt seine ganz eigene Klangfarbe und erinnert in jenen Momenten am Col‘ beinahe an die ein oder andere Rallye-Legende aus den 1980ern. Man kann die Geräuschkulisse der zwei Turbolader mit jenen aus einem überdimensionierten Staubsauger vergleichen, man kann sie aber auch herrlich mechanisch und echt finden.

McLaren-GT-Interior

Maximale Deeskalation im Comfort-Modus

Wir meinen, letzteres trifft eher zu und natürlich ist es nicht so, als würde der grandiose Vierliter-Mittelmotor (M840 TE) nicht auch noch ein Wörtchen mitzureden haben. Fährt man den McLaren GT, so wie es sich gehört, in doppelter Comfort-Stellung (Handling und Fahrwerk), ist zunächst alles im Wagen auf maximale Deeskalation eingestellt. Auch das 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe benötigt dann etwas länger, um den V8 aus dem Drehzahltief zu holen und selbstverständlich schützen einen die elektrischen Fahrhilfen besonders zeitig vor dem eigenen Gasfuß. Früh merken sie, wenn zu viel Power auf die Straße wandern könnte und kappen, für einen McLaren eher ungewohnt, sehr abrupt die Leistungsabgabe. Selbstverständlich könnte man an den beiden Aluminiumknöpfen in der Mittelkonsole herumspielen, doch den GT in den Sport-, oder gar Track-Modus zu versetzten sehen wir beinahe als dem Fahrzeugkonzept unwürdig an.

McLaren-GT-StMoritz

Auf der Autostrada im Piemont

Zu sehr sind wir schon in einem Flow aus Achtzylinder-Turbo-Grummeln und engen Kurven versunken, als wir uns nachts auf den Weg nach Italien machen. Zu später Stunde lässt man es dann auch gerne etwas gemächlicher angehen und so ist es die klanggewaltige sowie 1.200 Watt starke Bowers & Wilkins Soundanlage, die nun den Takt vorgibt. Wir befinden uns mittlerweile mitten im (Barolo-)Piemont, als wir erstmals die italienische Autobahn unter die Pirelli P Zeros bekommen. Hier ist der McLaren GT sofort daheim, hier will er bleiben. Kann er haben, nach einer Nacht in Turin und der Erkenntnis, dass das überarbeitete Infotainmentsystem im Grand Tourer wohl die größte Schwachstelle des Fahrzeugs darstellt.

McLaren-GT-Trunk

Schwachstelle Infotainment

Routenführung, Handhabung und Nutzwert sind überschaubar, Integration von Apple CarPlay oder Android Auto nicht vorhanden. Zudem vermissen wir in jener Art teurem Langstreckenfahrzeug eine induktive Lademöglichkeit sowie ausreichend normale Steckplätze für Smartphones oder Tablets. Nur ein USB- und ein 12-Volt-Anschluss erscheinen etwas mager, sind sie zudem eher ungeschickt in das Fahrzeuginnere integriert. Man besinnt sich hierbei wohl eher auf den analogen Fahrer, der mit derlei Schnickschnack nicht viel zu tun haben will. Ob der geneigte Käufer mitsamt seines Beifahrers aber immer noch mit einem Nokia 6310i, samt hunderter Stunden Akkulaufzeit herumfährt, ist eher unwahrscheinlich.

McLaren-GT-Side

Die Grand Tour erreicht den Comer See

Am nächsten Morgen geht es von Turin weiter an den Comer See. Herrliches Wetter empfängt Fahrer- und Beifahrer und natürlich eine topfebene Autostrada. Wenngleich wir keinen Ferrari fahren – die Italiener mögen den McLaren GT und versuchen bei jeder Gelegenheit dem flachen Sportler näher zu kommen. Verständlich. Denn von außen gibt es kaum einen Blickwinkel, von dem aus der GT nicht blendend aussehen würde. Zwar dient weiterhin jede Sicke und jede Linie einer Funktion – doch ist der Grand Tourer weit davon entfernt, als übermäßig technokratisch zu gelten. In den engen Gassen um den Comer See, zwischen Moltrasio, Brienno und Menaggio, gilt es mit dem McLaren GT indes nicht die Nerven zu verlieren. Die Übersicht beschränkt sich meist auf vorne, in den Außenspiegeln sieht man vor allem die dicken Backen der Triebwerksbelüftung und hinter den Wagen lässt sich einzig mittels Rückfahrkamera blicken. Nur doof, dass das Kamerabild in der Instrumentenkombi eingeblendet und vom Lenkrad verdeckt wird, wenn man in eine Parklücke hineinzirkeln will.

McLaren-GT-ComerSee

Von hervorragenden Sitzen und tollen Pässen

Aber das sind eben die Eigenheiten eines englischen Autos, genauso wie die Sitzverstellung. Sie bleibt unnötig umständlich und befindet sich weiterhin auf der Sitzinnenseite zum Mitteltunnel. Nur gut, dass man als McLaren GT Käufer auf die Memory-Funktion bauen kann. Das Gestühl als solches verdient hingegen größtes Lob. Auch als wir am zweiten Tag nach vielen Stunden im Auto durch die Schweizer Berge und über den Maloja- sowie Berninapass fahren. Selten haben wir in einem solchen Sportwagen derart entspannt und rückenfreundlich gesessen. Die Platzverhältnisse gehen selbst für Personen jenseits 1,90 Meter Körpergröße noch in Ordnung. Und ganz nach dem Motto: Platz ist in der kleinsten Hütte, versteht sich McLaren darin, auch jede noch so kleine Nische in der Fahrzeugkabine geschickt zu nutzen.

McLaren-GT-Maloja

Viele Ablageflächen, schwergängige Bremse

In den Türen befinden sich tiefe Ablagefächer, die Smartphones steckt man rutschfest auf Kniehöhe in zwei einzelne Halterungen und dann wundert man sich über die Schminkspiegel. Darf man so etwas monieren, bei einem Auto jenseits der 200.000 Euro? Ja, wenn sie nicht beleuchtet sind. Schließlich fährt auch einmal die Gattin den Wagen. Doch wird sie ein anderes, viel elementareres Problem bekommen, wie wir in den unzähligen Kurven und Kehren der Alpen feststellen konnten. Nämlich in Form der serienmäßigen Stahlbremse. Sie wirft den Anker in aller Heftigkeit, bringt den etwas über 1.500 Kilo leichten Wagen ordentlich zum Stehen, ist aber mit einem Betonfuß zu bedienen. Hier ist man doch zu sehr am reinen Sportwagen-Bau hängengeblieben, erwarten wir uns von einem McLaren Grand Tourer etwas mehr Leichtgängigkeit in der alltäglichen Bedienung. Über jeden Zweifel erhaben ist an diesem Punkt aber die hydraulische Lenkung, die immer ein sehr feines und direktes Lenkgefühl vermittelt. Hervorzuheben natürlich auch: die echte Schaltwippe aus Aluminium.

McLaren-GT-Stelvio

Fazit

Hoch oben auf dem Stilfser Joch ist es abschließend an der Zeit ein Resümee zu ziehen. Wenn wir nach dem Brenner und der deutschen Autobahn in München angekommen sind, steht auf dem Tageskilometerzähler eine vierstellige Zahl. Diese erzählt vor allem davon, dass der McLaren GT seinen Namen zurecht trägt. Denn für die lange Strecke ist er wirklich tauglich und verpackt, wie kaum ein anderes Auto dieser Klasse, einen Grand Tourer im formschönen Kleid eines Supersportlers. Abstriche muss man hingegen beim Infotainment in Kauf nehmen und auch der Druckpunkt der Stahlbremse ist für unseren Geschmack zu schwergängig geraten. Bleibt noch die Frage nach dem Preis: Der McLaren GT ist ab sofort für mindestens 198.000 Euro bestellbar. Nach oben sind freilich kaum Grenzen gesetzt. (Text und Bild: Thomas Vogelhuber)

Technische Daten*

  • Modell: McLaren GT
  • Motor: Achtzylinder-V, Biturbo, 3.994 ccm
  • Leistung: 620 PS (456 kW) bei 7.500 U/min
  • Drehmoment: 630 Nm zwischen 5.500 und 6.500 U/min
  • Antrieb: Hinterradantrieb, 7-Gang-Doppelkupplung
  • Verbrauch (WLTP): kombiniert 11,9l SP/100 km
  • CO2 Emissionen (WLTP): kombiniert 270 g/km
  • Beschleunigung (0 – 100 Km/h): 3,2 s
  • Höchstgeschwindigkeit: 326 km/h
  • Abmessungen (L/B/H): 4,68 m/ 2,10 m/ 1,21 m
  • Gewicht DIN: 1.530 Kg
  • Grundpreis: 198.000 Euro

*Herstellerangaben

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