Erster Test Cadillac Optiq (2026): Ami-SUV mit europäischem Herz

Cadillac tritt wieder einmal in Europa an. Dieses Mal mit Elektro-SUVs. Das Einstiegsmodell ist gleichzeitig auch das neueste. Der luxuriöse Optiq kostet mit Vollausstattung attraktive 65.000 Euro. Müssen die Deutschen Premium-Hersteller die Konkurrenz aus Amerika fürchten?

Der Cadillac Optiq auf einen Blick

  • Cadillac bringt sein drittes SUV nach Europa
  • Der neue Optiq hat 425 Kilometer Reichweite
  • Starkes Design, aber Schwächen beim Laden
  • Gute Platzverhältnisse und Premium-Ausstattung
  • Grundpreis (Deutschland) ab 65.00 Euro

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Modellgeschichte & Auszeichnungen: Drei SUVS, zwei Preise

Cadillac war immer schon Kult. In der Musik, im Film, und überhaupt. Bruce Springsteen bat in einem seiner Songs: „Well buddy when I die, drive me to the junkyard in my Cadillac.“ Wenn ich mal sterbe, mein Freund, dann bring mich zusammen mit meinem Cadillac zum Schrottplatz. Hot Chocolate fanden ihren Caddy himmlisch: „Heaven’s in the back seat of my Cadillac!“ Und Elvis Presley war so begeistert, dass er sich eine ganze Sammlung anlegte. Darunter einen pinkfarbenen Fleetwood. Legende sind auch die Triebwerke, ganz unter dem Motto „Hubraum ist durch nichts zu ersetzen – außer durch noch mehr Hubraum“. In den dreißiger Jahren gab es sogar einen V16-Benziner. Noch imposanter war der Monster-V8 „500 Cubic Inch“, er hatte einen 8,2 Liter großer Big-Block-Motor mit 400 Pferdestärken.

Schluss mit diesen Reminiszenzen. Die glorreichen Zeiten sind vorbei. Heute erinnert bis auf das Logo nur wenig an die glitzernde Vergangenheit. Die neuen Modelle heißen etwas verquast Lyriq, Vistiq und Optiq. Und aus dem Auspuff raucht und brabbelt es nicht mehr. Denn auch Cadillac setzt immer mehr auf Elektroautos. In Europa sogar ausschließlich. Nach der siebensitzigen Großraumlimousine Vistiq, die sich heuer beim German Car Of The Year-Wettbewerb (GCOTY) in der Kategorie-Luxus-Autos durchgesetzt hat, und dem SUV Lyriq, der den Titel im vergangenen Jahr gewann, schicken die Amerikaner jetzt den kleineren Optiq ins Rennen.

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Größe & Interieur: 33-Zoll-Display und „Toaster“ für das Handy

Er ist quasi der Einstieg in die Cadillac-Welt, von der Größe her zwischen C- und D-Segment angesiedelt. Die Karosserie streckt sich bis auf 4,82 Meter Länge und bietet einen großen Radstand von 2,95 Metern. Mit einer Höhe von 1,64 m bleibt der Cadillac relativ flach. Das und die leichte Coupé-Linie, die zum Heck hin abfließt, schränken den Sitzkomfort für groß gewachsene Passagiere im Fond etwas ein. Auch wenn das gläserne Panorama-Dach für zusätzliche Höhe sorgt. Vorne sind die Platzverhältnisse üppiger. Das Gestühl erweist sich als ausreichend bequem, aber trotzdem hart genug für längere Fahrten und sportliche Ambitionen. Wenn der Blick auf den hochauflösenden 33 Zoll großen Breitwand-Bildschirm fällt, dann fühlt man sich wie im Kino. Wo bitte ist der Popcorn-Automat? Wäre doch glatt eine gute Idee! „Pop your own corn“ - im Handschuhfach. Eine Klang-Kulisse wie im Kino gibt es auch: Cadillac setzt auf die neueste Dolby-Erfindung „Atmos“. Das ist 3-D-Sound in Vollendung - man fühlt sich wie in einer Klangwolke.

Der Touch-Screen ist leicht zu bedienen, im Notfall hilft die Sprachsteuerung. Sogar einen Dreh-Drück-Regler gibt es noch. Ein kleiner Bildschirm-Bereich links vom Lenkrad ist für die Shortcuts reserviert, wie etwa für den Spurhalte-Assistenten. Ungewöhnlich, aber ziemlich praktisch. Auf der anderen Seite des Volants sitzt der Gangwahlhebel, weshalb die Mittelkonsole frei für Getränkehalter und Ablagen ist. Hier befindet sich auch der von Cadillac so genannte „Toaster“. Ähnlich wie bei dem Haushaltsgerät steckt man hier das Handy zum Aufladen hinein. Vorteil: Es ist dort festgeklemmt und kann in Kurven nicht flügge werden. Nachteil. Es wird heiß wie in einem Toaster. Eine Kühlung wäre empfehlenswert. Die gibt es aber wenigstens für die Vordersitze, genauso wie eine Heizung. Bei Materialqualität und Verarbeitung lassen sich die Amerikaner nicht lumpen. Das fühlt sich gut an, überall weiche und mit Kunstleder überzogene Flächen. Hier ist Luxus nicht nur ein Anspruch, sondern Realität. Komisch finden wir den Griff für den Beifahrer, der relativ nutzlos ganz vorne an der A-Säule befestigt ist. Ein Kompromiss, hören wir von Cadillac. Denn dort, wo er normalerweise hingehört, nämlich oberhalb der Türe, da musste unbedingt ein Lautsprecher hin. Als Einstiegshilfe ist er deshalb nur bedingt geeignet.

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Beschleunigung & Fahreindruck: Der Ami mit dem europäischen Herz

Gute Qualität, saubere Verarbeitung - das ist man von Produkten jenseits des großen Teichs nicht unbedingt gewöhnt. Genauso wie ein knackiges Fahrwerk. Meistens bekommt man ja eine Sänfte, die tief in die Unebenheiten des Asphalts eintaucht und wieder heraus schaukelt. Nicht so beim Optiq. Wie Chefingenieur John Cockburn sagt, hat Cadillac das SUV in dieser Hinsicht noch mal neu entwickelt. Zuerst hat man bei Conti passende Reifen mischen lassen, dann kamen neue Dämpfer ins Spiel und schließlich wurde das Fahrzeug auch mit einer überarbeiteten Software auf den europäischen Geschmack abgestimmt. Das können wir so bestätigen. Auf unseren Testfahrten stecken Federn und Dämpfer die fiesesten Straßenrillen weg und bewältigen auch hohe Tempo-30-Kuppen völlig humorlos ganz ohne Nachschaukeln. Auch bei schnellen Kurvenwechseln schunkelt die Karosserie nicht. Das ist alles mehr als ordentlich, nur im Grenzbereich schiebt das SUV über die Vorderräder. Die Lenkung geht leicht, ohne ins Schwammige abzudriften und bietet ordentlich Rückmeldung.

Mit der Beschleunigung darf man zufrieden sein. Die beiden Elektromotoren auf Vorder- und Hinterachse kommen auf eine Leistung von 304 PS und 480 Nm Drehmoment. Das Ergebnis sind 6,3 Sekunden von 0 auf Tempo 100. Ausreichend, aber fühlt sich nicht unbedingt mitreißend an. Starke Leistung und hohes Gewicht fordern ihren Tribut. Unser Testverbrauch auf teils gebirgigen Strecken aber bei batteriefreundlichen Temperaturen lag bei rund 25 kWh (Herstellerangabe 19,9 kWh). Damit kommt man mit der 75 kWh großen Batterie nicht weit. Unserer Erfahrung nach dürften es nicht mehr als rund 300 Kilometer sein - und nicht die prognostizierten 425 Kilometer.

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Reichweite & Laden: Das sind die Schwachstellen des Optiq

Die Reichweite ist tatsächlich eine Schwachstelle beim Optiq. Ebenso wie die Ladegeschwindigkeit, die im Vergleich zur Konkurrenz mit maximal 110 kW bei Gleichstrom hinter den Erwartungen zurückbleibt. Da hilft auch der Hinweis nicht, dass der Akku in 15 Minuten eine Reichweite 144 Kilometer nachtankt. Allerdings nur im Optimalfall. Somit bleibt der Optiq die Langstreckentauglichkeit zunächst einmal schuldig. Für Wechselstrom, und das ist wiederum löblich, hat der Ami einen 22-kW-Lader an Bord, das heißt hier kann man, eine entsprechende Ladesäule vorausgesetzt, beim einstündigen Einkauf schon mal 100 Kilometer in die Batterie packen.

Eine Besonderheit leistet sich der Cadillac bei der Energierückgewinnung: Wer will, kann mit der One-Pedal-Einstellung unterwegs sein und ganz ohne Bremsen zum Stillstand kommen. So weit so üblich. Man kann die Rekuperation aber auch von Hand dosieren. Dafür zieht man an einem kleinen Hebel links am Lenkrad. Je länger, desto stärker verzögert das Fahrzeug. Damit lassen sich flotte Kurvenfahrten auch mit der elektrischen „Handbremse“ erledigen. Wer ein Händchen dafür hat, dem macht diese ganz andere Art des Fahrens sicher Spaß.

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Erstes Fazit

Von der Optik ist der Optiq das Optimale für Menschen, die auf ein ungewöhnliches Design stehen und kein Auto von der Stange haben wollen. Der Preis für so ein All-Inclusive ausgestattetes Elektro-SUV in dieser Größe ist ziemlich attraktiv. Mit 65.000 Euro segelt der Optiq deutlich unter dem Radar der Premium-Konkurrenz BMW iX3, Audi Q6 e-tron oder dem neuen Mercedes-Benz GLC EQ. Zudem fährt sich der Ami auch noch wie ein Europäer, und das ist gut so. Bei der Akku-Kapazität und der Ladegeschwindigkeit hinkt er allerdings her. Kultstatus erreicht dieser Cadillac zwar nicht, aber cool ist er allemal. (Text: Rudolf Bögel. Fotos Cadillac/Bögel)

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