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EU7-Abgasnorm: Der Endgegner wird zum Papiertiger

Die strengen Grenzwerte für die ab 2025/2026 geplante EU7-Abgasnorm haben für viel Kopfzerbrechen bei den Herstellern gesorgt. Vielerorts waren die Emissions-Hürden bereits als Sargnagel für den Verbrenner erklärt worden. Doch nun die Wende: Die EU-Kommission scheint "Euro 7" überraschend zu kippen.

Grenzwerte so scharf, dass sie im Bereich der Messtoleranz liegen

Noch im letzten Jahr haben wir einen Bericht gebracht, das Bewegung in der Gesetzgebung der EU7-Abgasnorm ist. Die ursprünglich geplanten Grenzwerte wäre so scharf gewesen, dass sie innerhalb der Messtoleranz des Testequipments gelegen hätten und somit kaum prüfbar gewesen wären.

Verwertbare Ergebnisse hätte man auf dieser Basis kaum erwarten können – und Schlupflöcher wären sicher möglich gewesen. Die Advisory Group on Vehicle Emission Standards (AGVES) hatte sich deshalb im vergangenen Jahr bereits für eine realistischere Fassung der neuen Norm ausgesprochen. Das nun durchgesickerte Ergebnis der Novellierung ist allerdings bemerkenswert: Dem Vernehmen nach wird die EU7 komplett gekippt und die Grenzwerte im Vergleich zu bestehenden EU6d-ISC-FCM nur unwesentlich bis gar nicht angepasst. Wie konnte es dazu kommen?

Lobbyarbeit gegen hohe Kosten und für Sicherung der Arbeitsplätze

Der offizielle Entwurf, der dem Magazin Politico zugespielt wurde und der die Fassung der Norm enthält, wie er in den kommenden Tagen in der Kommission zur Abstimmung vorgelegt werden soll, backt nun deutlich kleinere Brötchen als zuvor. Die Argumentation der gesetzgebenden Stelle in Brüssel schreibt blumig von den aktuellen geopolitischen und wirtschaftlichen Umständen, die zu einer Neubewertung der Norm geführt hätten.

Dies heißt nichts anderes, als dass die Autohersteller angesichts der angespannten Lieferketten und der explodierten Produktionskosten erfolgreich Lobbyarbeit betrieben haben. Das Pokerspiel Arbeitsplätze gegen Abgasnorm scheint die Industrie klar gewonnen zu haben.

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Tavares und Macron als Schlüsselspieler im EU7-Poker?

Der Druck sei hoch wie nie, auch wegen der extrem hohen Inflationswerte, was per se für extreme Preissteigerungen bei Neufahrzeugen sorgen wird. Kommt nun noch aufwändige und komplexe Abgasreinigung hinzu, so würden Fahrzeuge für einen Großteil der Bevölkerung völlig unerschwinglich, so die Neufassung des Papiers weiter. Die Argumentation, warum eine Aufweichung nötig sei, geht aber noch weiter: Eine Verschärfung des Verbrenner-Abgasnorm sei gar nicht mehr nötig, da das Tempo der Elektrifizierung so hoch sei und man 2035 per Gesetz sowieso nur noch rein elektrisch betriebene Fahrzeuge verkaufen will.

Gerade diese Aussage klingt allerdings sehr danach, dass sie der Politik diktiert wurde. Besonders Carlos Tavares, der eloquente Stellantis-Chef, scheint hier maßgeblich beteiligt zu sein, denn die Aussage könnte auch direkt von ihm stammen. An verschiedenen Diskussionsrunden rund um den Pariser Autosalon hat er exakt mit dieser Argumentation vor Journalisten gesprochen: "Aus Sicht der Industrie brauchen wir Euro 7 nicht, da es Ressourcen abzieht, die wir für die Elektrifizierung ausgeben sollten. Warum sollten wir knappe Ressourcen für etwas verwenden, das nur für einen kurzen Zeitraum gilt? Die Industrie braucht das nicht, und es ist kontraproduktiv". Nach einem gemeinsamen Mittagessen mit Präsident Macron zeigte er sich zudem noch selbstsicherer – man darf davon ausgehen, dass das letzte Treffen von Renault- und Stellantis-Chefetage im Élysée-Palast ausschlaggebend für die Kehrtwende im EU7-Norm-Poker war.

Verzögerung und Aufweichung sorgen für Kritik durch Umweltverbände

Verständlicherweise sorgt die neue Richtung nicht nur für Freude. Gerade Umweltverbände wie „Transport & Environment“ wehren sich gegen die Neuauslegung: „Profite der Autohersteller werden über die Gesundheit von Millionen Europäern gestellt“, wird Sprecherin Anna Krajinska zitiert. Besonders spannend aber auch: Es scheint auch viele Hersteller kalt zu erwischen. Bei einer geplanten Einführung der Norm 2025 sind sämtliche EU7-erfüllende Abgasstränge und Reinigungssysteme für kommende Modellgenerationen natürlich bereits fertig entwickelt und in der finalen Erprobung.

Ein Vorgang der sicher pro Hersteller einige Milliarden Euro gekostet haben dürfte – wenn er es denn entwickelt hat. Es ist nun jedem selbst überlassen, wie er den Ausgang für sich wertet: Der „brave“ Hersteller auf der einen Seite, der sich an der kommenden Norm orientiert und entsprechend entwickelt hat oder der „pokernde“ Autobauer auf der anderen Seite, der stets darauf gewettet hat, dass die Norm sowieso nicht kommt. Einbauen muss die teure Abgasreinigung nun augenscheinlich niemand, obwohl ein Großteil der Industrie es wohl machen könnte. Wem damit geholfen ist? Eher niemanden, zumal die neue Novellierung in der Öffentlichkeit tüchtig Sperrfeuer erfahren dürfte – und den schweren Stand des Verbrenners noch einmal schwächen wird. Es ist also niemandem geholfen, außer der kurzfristigen Margen-Maximierung einiger weniger. (Text: Fabian Mechtel | Bild: Stellantis)

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