Die „Neue Klasse“ ist das Leuchtturmprojekt von BMW - vielleicht sogar der gesamten deutschen Autoindustrie. Auf der diesjährigen IAA in München (9.–14. September) feiert mit dem iX3 das erste Modell der neuen Fahrzeugarchitektur Premiere. Für sich genommen wirkt das mindestens 68.900 Euro teure Elektro-SUV zunächst unspektakulär, zumal es keine auffälligen Design-Experimente gibt. Schon Anfang 2024 hatte die Vision Neue Klasse X die neue Formensprache vorweggenommen: kleinere Niere, kein Chrom, ausfahrbare Türgriffe, mehr Licht.
Mit seinen 4,78 Metern Länge ist das SUV im Grunde der etwas kleinere Bruder des bekannten iX - für den es jetzt praktisch keinen Markt mehr gibt. Auf futuristische Details wie Kamera-Außenspiegel verzichtet der iX3, stattdessen gibt sich die zweite Generation des Elektro-X3 bewusst bodenständig. Doch genau darin liegt die Besonderheit: BMW zeigt, dass klassischer Automobilbau und ein für die Marke wichtiger Technologiesprung kein Widerspruch sind. Die Münchner, einst Pioniere der Elektromobilität und zuletzt eher ins Mittelfeld abgerutscht, setzen besonders mit der sechsten Generation ihrer eDrive-Technologie wieder ein Ausrufezeichen.
Zurück an die Weltspitze mit 800 Volt und 4 Supercomputern
Ein besonderes Highlight sollen dabei die neu entwickelten und direkt per Cell-to-Pack-Technolgie in die Hochvoltbatterie integrierten BMW-Rundzellen sein, die erstmals auf 800-Volt-Systemspannung ausgelegt sind. Der netto 108,7 kWh große Akku ermöglicht eine WLTP-Reichweite von bis zu 805 Kilometern, außerdem beherrscht der iX3 als erster BMW bidirektionales V2X-Laden. Auf Zellebene liegt die Energiedichte 20 Prozent höher als zuvor, die Ladegeschwindigkeit steigt um 30 Prozent. Im besten Fall fließt Gleichstrom mit bis zu 400 kW - vorausgesetzt, die Infrastruktur ist vorhanden. Unterm Strich bleibt es allerdings bei einer eher durchschnittlichen Ladegeschwindigkeit von 21 Minuten von zehn auf 80 Prozent.
Für den Fahrspaß zuständig ist derweil einer von vier im Fahrzeug integrierten Supercomputern - das „Heart of Joy“. Die hochperformante Steuerungseinheit ist zuständig für den Antrieb, die Bremsen (inkl. Soft-Stop), die Rekuperation und Teilfunktionen der Lenkung. Sie verarbeitet Informationen bis zu zehnmal schneller als herkömmliche Steuergeräte. Auf diese Weise wird das Potenzial der Elektromobilität hinsichtlich spontaner Leistungsentfaltung, harmonischer Kraftübertragung, Agilität, Stabilität und Effizienz optimal genutzt.
Freude am Fahren bleibt ein Kernbestandteil der Neuen Klasse
Auf gut deutsch: Das neue Superhirn ist unter anderem dafür verantwortlich, dass die beiden Elektromotoren des Debütmodells BMW iX 50 xDrive ihre Leistung bestmöglich auf die Straße bekommen und auch ungeübte Fahrer auf dieser bleiben. Während eine Asynchronmaschine an der Vorderachse (bis zu 123 kW) für Vortrieb sorgt, übernimmt die Synchronmaschine an der Hinterachse (bis zu 240 kW) die Hauptlast. Systemseitig stehen bis zu 345 kW/469 PS und 645 Nm bereit. Der 2,3 Tonner sprintet in nur 4,9 Sekunden von null auf 100 km/h und wird bei Tempo 210 elektronisch abgeregelt.
Spannend ist hierbei, dass BMW für sein vorläufiges Baureihen-Topmodell auf exorbitante Leistungswerte verzichtet - wohlwissend, dass die meisten Fahrer mit ihrem Elektroauto kaum einen neuen Streckenrekord aufstellen wollen.
Mehr Harmonie zwischen Mensch und Maschine
Und weil das Wohlbefinden im Auto einen immer größeren Stellenwert einnimmt, wurde in der Neuen Klasse auch viel Wert auf die Innenraumgestaltung und der Verbindung zwischen Mensch und Maschine gelegt. Bereits bei Annäherung an den iX gibt es eine animierte Begrüßung im Exterieur und Interieur durch „holistische Sound- und Lichtinszenierungen“. Das Cockpit folgt indes einem „Wrap-around“-Prinzip, die Linien ziehen sich fließend bis in die Türverkleidungen. BMW spricht von einer Designsprache, die zeitlos sein soll - doch ist genau dieser zunehmende Minimalismus in der Vergangenheit oft mit einem verschlechterten Qualitätsstandard bei den Materialien einhergegangen. Beim ersten Probesitzen zeigt sich der iX3 jedoch dem BMW-Premiumanspruch großteils gerecht. Im Vergleich zum normalen X3 scheint man auf nicht ganz so billige Kunststoffe zu setzen.
Den Verbrenner-Kollegen im Kopf hatten wir auch bei den Kofferraumabmessungen. Während etwa ein BMW X3 20d zwischen 570 und 1.700 Ladevolumen bietet, stellt der iX3 sehr vergleichbare 520 bis 1.750 Liter bereit. Zusätzlich passen unter die vordere Haube, trotz Allrad, weitere 58 Liter. Reicht auch das nicht, darf der Elektro-BMW bis zu 2.000 Kilogramm schwere Anhänger ziehen.
Währenddessen erfolgt Die Bedienung über das sogenannte BMW Panoramic iDrive mit Operating System X, das gleich mehrere Innovationen bündelt: eine Panoramic-Vision-Anzeige, die sich fast über die gesamte Windschutzscheibe zieht, ein schwebend wirkendes 17,9-Zoll-Zentraldisplay im „Free-Cut Design“, ein neu gestaltetes 3D-Head-up-Display sowie ein gänzlich neugestaltetes Lenkrad - leider ohne physische Tasten und ziemlich überfrachtet mit Funktionen. Wohlwollend nehmen wir allerdings die weiterhin vorhandene Lautstärkenwalze zur Kenntnis.
KI und Nachhaltigkeit im Fokus
Neben den offensichtlichen Änderungen gibt es einen erweiterten Sprachassistenten - natürlich mit KI-Unterstützung. Auch Personalisierung, wenngleich nicht auf Ausstattungs-, sondern auf digitaler Ebene, soll wichtiger werden: Die eigene BMW ID wird essenziell, es gibt mehr Fahrmodi und individualisierte Darstellungen.
Produziert wird der iX3 ab Herbst 2025 im neuen Werk Debrecen, das laut BMW im Normalbetrieb ohne fossile Brennstoffe auskommen soll. Ein Drittel der Materialien soll aus Sekundärrohstoffen bestehen, die CO2-Bilanz über den Lebenszyklus sinkt angeblich um 34 Prozent. Mit einem Luftwiderstandsbeiwert von 0,24 setzt der iX3 auch in Sachen Aerodynamik ein Ausrufezeichen. Recycling und Kreislauffähigkeit der eingesetzten Materialien stehen ebenfalls weit oben im Lastenheft.
Erstes Fazit und Ausblick auf den BMW i3
Als die ersten „Visionen“ der Neuen Klasse umhergeisterten, hatten wir durchaus Bedenken, ob sich BMW mit diesem radikalen Wandel am Ende nicht selbst schadet. Doch der iX3 zeigt, dass die Verantwortlichen vergleichsweise behutsam mit der eigenen Vergangenheit umgegangen sind. Die Rückkehr zur kleinen, wenn auch nur noch angedeuteten, BMW-Niere ist ein Wink an alle Traditionalisten - die Innovationsfans werden geoßteils von der neuen Elektrotechnik unterm Blechkleid abgeholt. Ob die „Neue Klasse“ tatsächlich hält, was sie verspricht, werden wir spätestens bei der noch für dieses Jahr geplanten Fahrveranstaltung herausfinden.
Für das kommende Jahr ist bereits der Nachfolger der gegenwärtigen 3er-Baureihe auf Basis der neuen „Neue Klasse“-Fahrzeugarchitektur geplant. Das vollelektrische Modell wird unter dem bekannten Namen BMW i3 debütieren – allerdings neu interpretiert als Elektro-Limousine bzw. Kombi (Touring). (Text: Thomas Vogelhuber | Bilder: Hersteller)
Technische Daten
Modell | BMW iX3 50 xDrive |
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Antrieb | BEV, elektrischer Allrad |
Leistung | 345 kW / 469 PS |
Drehmoment | 645 Nm |
0–100 km/h | 4,9 s |
Vmax | 210 km/h (limitiert) |
Batterie | 108,7 kWh (netto) |
Reichweite (WLTP) | 678 – 805 km |
Verbrauch (WLTP) | 15,1 – 17,9 kWh/100 km |
Laden AC | 11 kW (optional 22 kW) |
Laden DC | max. 400 kW, 10–80 % in 21 min |
Länge/Breite/Höhe | 4782 / 1895 / 1635 mm |
Radstand | 2897 mm |
Leergewicht | 2285 – 2360 kg |
Anhängelast | 2000 kg gebremst |
Kofferraum | 520 – 1750 l (+ 58 l Frunk) |
Grundpreis (Deutschland) | ab 68.900 Euro |