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Gebrauchtwagentest: Luftfedersysteme im Alter – Mit Niveau

Luftfedersysteme galten jahrelang als Exoten im Automobilbau, bis der SUV-Boom ihnen eine Renaissance bescherte. Doch auch in Limousinen finden die Gummifedern immer mehr Verwendung. Ein Blick auf die Technik lohnt in jedem Fall, sind Reparaturen an den Anlagen doch häufig sehr kostspielig.

Begonnen hat die Kariere der Luftfederrung im PKW in den 60er Jahren. Die bereits in Schieflage befindlichen Borgwardwerke in Bremen-Sebaldsbrück erhofften mit dem Einsatz des technisch innovativen Systems nicht nur ihr Spitzenmodell, den Borgward P100, sondern auch sich selbst in eine optimale Position zu bringen. Doch das Vorhaben scheiterte und das System fand nur in wenigen Fahrzeugen Verwendung. Neben den Borgward-Werken, griff aber auch Daimler-Benz auf das System zurück. In den damaligen Oberklassemodellen, dem 300 SE von 1961 und dem 1963 präsentierten Mercedes 600, setzte das System neue Akzente im Hinblick auf Fahrkomfort und Fahrsicherheit.

Himmlischer Komfort

„Die beste Federung für das beste Auto der Welt“, so lautete damals die Ansicht Daimlers zum Einsatz der Luftfederrung. Der Aufbau des Luftfederungssystems war im Gegensatz zum komplexen Hydrauliksystems des Mercedes 600 relativ einfach. Vier Luftfederbälge, an jedem Rad einer, eine Regeleinheit und ein vom Motor via Keilriemen angetriebener Kompressor sorgten für einen herausragenden Federungskomfort und ein gleichbleibendes Fahrzeugniveau der schweren Limousine. So gut, dass es eben diese Federung war, die den Ausschlag des Papstes für die Wahl des Mercedes 600 als künftigen Dienstwagen gab.

Bis auf Daimler-Benz vermochten nur wenige Hersteller das Prinzip der Luftfederung für sich zu entdecken. Zu teuer war die Umstellung eines herkömmlichen Fahrwerks auf das Luftfedersystem, zumal bis in die Oberklasse hinein der Fahrkomfort mit einer Stahlfederung den Kundenansprüchen durchaus genügte. Dazu kam der Nachteil einer erhöhten Defektanfälligkeit, die in der Regel das Auto lahmlegte, denn bei Druckluftverlust sackte die Karosse auf Konstruktionsniveau ab und musste aufwändig vor dem Abschleppen mit Keilen wieder in eine rollbare Position geliftet werden.

Mit Luft über Stock und Stein

Nachdem die Luftfederung fast in Vergessenheit geraten war, setzte Land Rover in den 90er Jahren dieses System zunächst in der ersten,  später auch in der zweiten Generation des Range Rovers zur Steigerung von Komfort und Geländetauglichkeit ein. Der große Vorteil der Luftfederung, ihre auf Knopfdruck einstellbare Höhe, machte den Range Rover zum luxuriösen Alles-Überwinder.

In fünf unterschiedlichen Ebenen ließ sich die Federung einstellen, was, dank einer Maximal-Höhe von sechs Zentimetern über der Normalstellung, auch tiefe Flussdurchfahrten ermöglichte. Die fortschreitende Materialerprobung gewährleistete zudem eine hohe Belastbarkeit der Gummibälge im rauen Gelände. Und ging es wieder auf die Straße, sorgte ein Knopfdruck für eine komfortable Einstiegshöhe. Daneben konnte der Range Rover sogar einen majestätischen Knicks, denn im Tiefniveau lag die Karosse rund 6,5 Zentimeter unter dem Normalniveau.

Masse in der S-Klasse

Trotz der Fähigkeiten der Luftfederrung wurde es ruhig um sie, bis Mercedes-Benz das System für seine im Jahr 1998 präsentierte S-Klasse wiederentdeckte; als Airmatic brachte sie das System zurück zu den Kunden. Komfortables Abrollen, Steigerung der Fahrsicherheit und vor allem ein immer gleichbleibendes Fahrzeugniveau waren Vorteile, die die Kundschaft im Luxussegment überzeugten. Im breiten Feld setzte die Luftfederrung vor allem an den Hinterachsen großer Kombis ein. Als Niveauregulierung löste sie so hydraulische Systeme ab, die wegen ihrer zusätzlichen Flüssigkeitskreisläufe nicht mehr zeitgemäß waren.

Eine große Verbreitung in teuren Fahrzeugmodellen zu Beginn der Jahrtausendwende bringt die Luftfederrung heutzutage nicht selten in Verruf. Denn häufig kauern betagte Mercedes-Benz S-Klassen, Volkswagen Phaetons oder Audi-A8-Modelle auf staubigen Kiesplätzen in tiefster Stellung und weigern sich, trotz stundenlangem Laufenlassen des Motors, in die Normalposition zurück zu kehren. Dazu blinkt, im Takt des periodisch anlaufenden Kompressors der Luftversorgung, die Fehlerlampe des Systems im Display. Spätestens dann wird deutlich, dass ein solches System auch erhebliche Nachteile gegenüber der herkömmlichen Stahlfederrung haben kann, denn mit einer derart „tiefergelegten“ S-Klasse, ist die Weiterfahrt nur noch sehr eingeschränkt möglich.

Wissen ist Macht

Wie immer steht an der ersten Stelle der Fehlerbehebung und Eingrenzung der Kosten eine solide Diagnose. Ohne Fehlerauslesegerät ist der Laie jedoch bereits an dieser Stelle am Ende seiner Fähigkeiten. Die Tester sind bei nahezu allen am Markt verwendeten Systemen in der Lage, die einzelnen Fehlerursachen aufzuzeigen und der Ursache für das Absinken des Niveaus auf die Spur zu kommen. Nur in Einzelfällen scheitert die elektronische Fehlerdiagnose, was dann für einen erhöhten Aufwand bei der Reparatur sorgt.

Der Klassiker der Defekte der Luftfederrung ist ein undichter Federbalg. Grund ist neben dem zunehmenden Alter vor allem eine Beschädigung von außen. Jedoch sind es seltener einzelne, punktuelle Schäden, die zum schleichenden Luftdruckverlust führen, als vielmehr eine Vielzahl von kleinen, nahezu unsichtbaren Löchern, deren Entstehung auch durch regelmäßige Wartung kaum aufzuhalten ist. Konstruktionsbeding bleiben nämlich immer wieder kleinste Steinchen in den Wulsten der Feder hängen, und scheuern in den Gummifalten, bis die Luft entweichen kann. Ein Vorgang, der vor allem ältere Modelle betrifft, bei denen die Gummifeder noch nicht von außen gegen den Straßenschmutz mit einer Aluminiumhülle geschützt ist. Fährt das Auto erst einmal mit schleichendem Luftdruckverlust, wird dem Kompressor äußerst warm ums Herz, muss er doch durch ständiges Nachpumpen dafür Sorge tragen, dass das Fahrzeugniveau nicht abfällt.

Der Anfang vom Ende

Der elektrische Luftkompressor ist dann auch die Fehlerquelle Nummer zwei im System. Entweder fällt er wegen Überforderung oder technischem Defekt einfach aus, oder aber er reißt das System komplett in den Abgrund. Seine erhöhte Tätigkeit kann nämlich zu vermehrter Feuchtigkeit im System führen, der der vorhandene Filter nicht mehr gewachsen ist. Die Folge: das System kann im Winter einfrieren oder aber der die einzelnen Ventile ansteuernde Ventilblock vergammelt innerlich.

Wirkungsvoll behoben wird dieses Problem erst bei neueren Luftfederfahrwerken, wie etwa dem des Porsche Panameras, das auf eine Ansaugung von feuchter Außenluft verzichtet. Daneben kann der, eigentlich für die Dauer eines Autolebens konstruierte Kompressor bei einer undichten Anlage auch noch durch verschlissene Kolbenringe auf sich aufmerksam machen, was weder die Stimmung beim Besitzer, noch das Niveau der Karosserie hebt.

Nur selten Defekte in der Elektrik

Die restlichen Elemente der Systeme sind dagegen weitgehend unempfindlich. So sorgen Steuergeräte oder Bedienelemente nur selten für Ausfälle, während speziell bei Off-Roadern die an den Achsen montierten Niveausensoren durch Schmutz und Feuchtigkeit gerne ihren Dienst quittieren und falsche Werte über das aktuelle Fahrzeugniveau an das Steuergerät liefern. In der Regel sind diese Geber aber in das Diagnosesystem des Fahrzeugs eingebunden, sodass ein Ausfall durch die Fehlerlampe signalisiert wird. Gleichzeitig korrespondieren sie auch mit der Steuereinheit für die Leuchtweitenregulierung, denn eine manuelle Eingriffsmöglichkeit fehlt bei Fahrzeugen mit Luftfederrung.

Ist der Fehler erst einmal lokalisiert, folgt der Schock am Teiletresen. Nahezu alle Ersatzteile für Luftfedersysteme kosten, unabhängig vom jeweiligem  Hersteller, unanständig viel Geld. So schlägt bereits ein Luftfederbalg eines Audi A6 Allroad der ersten Generation mit rund 500 Euro an der Vorderachse und 300 Euro an der Hinterachse zu Buche. Aufgrund der Tatsache, dass angesichts des Alters und des gleichmäßigen Verschleiß aller vier Luftfedern ein einmaliger Tausch aller vier Federelemente sinnvoll ist, addiert sich die Investition auf 1.600 Euro - zuzüglich Einbau. Noch teurer wird es bei neueren Systemen mit optimierten Federbälgen. Die Feder eines Audi A8 D3 schlägt dabei mit 1.100 Euro zu Buche, die eines Volkswagen Touareg mit 1.300 Euro. Ebenfalls kein Schnäppchen sind die elektrischen Luftkompressoren, deren Erneuerung das Budget ebenfalls mit 1.000 bis 1.300 Euro das Budget belastet.

Sparen mit optimierten Ersatzteilen

Die Flucht in gebrauchte Ersatzteile bringt zumindest im Bereich der Luftfeder keine wirkliche Abhilfe. Denn zum einen ist die Gebraucht-Feder in der Regel so alt, wie die, des eigenen maladen Mobils, zum anderen ist nur selten sichergestellt, dass die gebrauchte Feder wirklich dicht ist. Eine bessere Lösung stellen dagegen Angebote von Nachrüstanbietern da. Die in den USA ansässige Firma Arnott (http://www.arnottairsuspension.com/) hat es sich zur Aufgabe gemacht, Ersatzteile für ältere Systeme anzubieten und so die Kosten für die Erneuerung eines Luftfederfahrwerks zu reduzieren.

Neben den, dem Original nachempfundenen, Luftfedern, bieten die Amerikaner aber auch optimierte Gummibälge an, bei denen eine Aluminiumhülle kleine Steinchen davon abhält, das Gummi zu beschädigen. Die passgenauen Ersatzfedern lassen sich einfach montieren und senken die Reparaturkosten im Vergleich zu originalen Federn der Autohersteller erheblich. Ein Grund mehr, sich gegebenenfalls auch für den Ersatz der häufig verschlissenen Stoßdämpfer zu entscheiden, die beim Wechsel der Luftfeder ohnehin demontiert werden müssen.

Mit kleinem Geld Druck machen

Neben den Federn, sind inzwischen für verschiedene Modelle auch Luftkompressoren auf dem freien Markt erhältlich. Solange sie von dem Original-Zulieferer Wabco stammen unterscheiden sich diese Angebote vor allem im Preis und können bedenkenlos eingebaut werden. Weniger zu empfehlen sind jedoch No-Name-Produkte aus Fernost, die häufig den Anforderrungen im Auto nur kurze Zeit gewachsen sind.

Die individuell abgestimmten Steuergeräte oder die Niveausensoren sind dagegen kaum als Ident-Teile zu bekommen und müssen in der Regel direkt vom Fahrzeughersteller erworben werden. Wer allerdings die Kosten für die Erneuerung der defekten Komponenten scheut, kann auch die finale Lösung wählen. Den Ersatz sämtlicher Luftfedern durch herkömmliche Stahlfedern. Ein Umbau, der zwar durchaus pragmatisch ist, jedoch eines Vermissen lässt, was einst den Modellen mit Luftfederrung zu Eigen war: Das Niveau

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